Gauss-Telegraph: Gemeinsames Musizieren als eine kleine Übung für ein harmonisches Miteinander

Gauss-Telegraph: Gemeinsames Musizieren als eine kleine Übung für ein harmonisches Miteinander

Ein Gespräch mit Mariniki, Amine und Ronja über ihre gewonnenen Eindrücke durch das Musizieren mit dem Musikensemble der Universität Thessaliens

Im Rahmen einer deutsch-griechischen Zusammenarbeit mit bekamen Studierende der TU Braunschweig die einzigartige Möglichkeit vom 30.11.2018- 02.12.2018 die griechische Sprache und Kultur durch das gemeinsame Musizieren mit dem Musikensemble der Universität Thessalien aus Nordgriechenland kennenzulernen. Die drei Studierenden Mariniki, Amine und Ronja nahmen die Gelegenheit dieser musikalisch-kulturellen Entdeckungsreise wahr und waren Teilnehmer*innen des Workshops. Gemeinsam übten sie zwei Tage unter der künstlerischen Leitung der Musikpädagogin und Sängerin María Thoídou (der Dozentin für Musik und Gesang der Universität Thessaliens) 28 Lieder des bekannten griechischen Komponisten Manos Hadjidakis ein. Unter dem Titel „Straßen der Träume“ fand dann zum 1. Advent ein Abschlusskonzert in einem der ältesten Rathäuser Deutschlands– der Dornse Braunschweig statt.

Neben den musikalischen Erfahrungen hinterließ der interkulturelle Austausch viele Eindrücke von denen die drei Teilnehmer*innen bei einem gemeinsamen Gespräch berichteten.

Zunächst einmal, wer sind die drei Gauss Friends, die gemeinsam mit den griechischen Musiker*innen musizierten? Und welchen Bezug zur Musik haben sie?

Ronja Schwenkler studiert Umweltnaturwissenschaften an der TU Braunschweig. Sie ist in Deutschland aufgewachsen, reist für ihr Leben gerne und liebt andere Sprachen und Kulturen. Begegnet sie auf ihren Reisen spannenden Menschen, fragt sie diese nach ihren Lieblingssongs, aus denen sie dann Playlists erstellt. Hört Ronja diese wieder zu einem späteren Zeitpunkt wird sie an die Begegnungen zurückerinnert. Sie sieht große Verbindungen zwischen Musik und Erinnerung. Ronja sang bereits als Kind in einem Chor – außerdem hat sie sich das Gitarre- und Klavierspielen selbst beigebracht.

Mariniki Pnevmatikou studiert Elektrotechnik an der TU Braunschweig. Sie ist in Griechenland aufgewachsen und lebt seit fast sechs Jahren in Braunschweig. Fließend spricht sie griechisch, deutsch und englisch. Mariniki singt sehr gerne und spielt außerdem leidenschaftlich Saxophon. Die Musik ist für sie eine internationale Sprache, durch die man Verbindungen spüren kann.

Ben Tourkia Mohamed Amine studiert Wirtschaftsingenieurswesen/ Elektrotechnik an der TU Braunschweig und ist extra für das Studium von Tunesien nach Deutschland gezogen. In Braunschweig wohnt er erst seit zwei Jahren. Musik ist sein Leben und seine Leidenschaft widmet er dem Bass spielen. Regelmäßig spielt er auch bei den Jam-Sessions am Donnerstagabend im Gauss- Haus mit. Auch für ihn kann Musik eine Gemeinsamkeit sein, eine gemeinsame Erfahrung.

Was motivierte, bewegte die Studierenden an dem Workshop teilzunehmen?

Als Ronja ein Jahr lang als Volunteer in Europa unterwegs war, lernte sie viele spannende Menschen kennen. Das gemeinsame Kochen, die Sprachen und den kulturellen Austausch vermisst sie nun manchmal. Deshalb kommt Ronja jede Woche in das Gauss-Haus, da sie dort so etwas Ähnliches wie auf ihren Reisen nur in Braunschweig finden kann. Durch die Gauss- Friends hat sie auch von dem Musikworkshop erfahren. Sie sah in diesem Wochenende sofort etwas besonderes- eine einmalige Chance, die sie wahrnehmen wollte, obwohl sie eigentlich sehr viel zu tun hatte.

Diese Tage können Türen zu neuen Kulturen und Weltsichten öffnen, man kann neues Lernen und sich vernetzen. Musik bringt Menschen zusammen.“

Auch Mariniki wurde über einen Facebook Aufruf der Gauss-Friends auf den deutsch-griechischen Austausch aufmerksam. Obwohl sie 2-mal pro Jahr nach Hause fliegt, vermisst sie Griechenland manchmal. Deshalb hat sie sich besonders über die Gelegenheit gefreut, Menschen aus ihrem Heimatland zu treffen um mit ihnen gemeinsam zu musizieren. Die griechischen Lieder des Komponisten Manos Chatzidakis, der viele Lieder für bekannte Filme geschrieben hat, erinnern Mariniki an ihre Kindheit. Ein bisschen Heimweh hat sie unter anderem zur Teilnahme motiviert.

Amine war schon immer ein großer Fan der griechischen Mythologie. Als er noch jünger war, träumte er davon im antiken Griechenland zu leben. Die Geschichten der Götter und Helden des antiken Griechenlands haben ihn fasziniert. Jedoch konnte er die Kultur und das Land nur durch das Lesen von Büchern oder das Ansehen von Videos erleben. Er hatte nie Kontakt zu Menschen aus Griechenland. Für Amine war das Treffen eine Chance diese Kultur, von der er bereits so viel gelesen hatte endlich kennenzulernen. Da Amine zudem Musik liebt, konnte er dem Workshop nicht widerstehen.

Welche Erfahrungen des Wochenendes blieben den drei Studierenden besonders in Erinnerung? Welche Eindrücke hat der musikalisch- kulturelle Austausch bei ihnen hinterlassen?

Ronja fand beispielsweise die Methodik sehr spannend auf welche Art und Weise gemeinsam musiziert wurde. In den Proben haben sich die Musiker*innen zur Melodie im „Dur“ bewegt, so wurde sich mit den griechischen Rhythmen vertraut gemacht- sie wurden mit dem ganzen Körper gefühlt. Besonders schön, fand Ronja die Energie, die man durch die Musik spüren konnte.

Zum Abschlusskonzert sollte sie etwa 15 Lieder und davon zwei Solo in einer fremden Sprache vom Blatt singen. Beim “entschlüsseln” der Schrift habe Ronja ihr naturwissenschaftliches Studium geholfen, da fast alle Formeln griechische Schriftzeichen beinhalten und sie so bereits viele Buchstaben des griechischen Alphabets kannte. Außerdem bekam sie sehr viel Unterstützung von den anderen Workshop Teilnehmer*innen. So konnte sie am Ende des Wochenendes 80% der Texte lesen. Besonders positiv aufgefallen ist Ronja die Herzlichkeit und Intuition, das gemeinschaftliche Miteinander und der körperbetonte, aber nicht aufdringliche Umgang der griechischen Musiker*innen.

Amine begleitete acht Songs mit dem Bass zum Abschlusskonzert. Eigentlich konnte er nicht besonders gut Noten lesen. „Ich musste Codes entziffern“, meinte Amine. Trotz der großen Anstrengungen und dem Wettkampf gegen die Zeit fühlte er sich aber nicht müde- es hat ihm einfach Spaß gemacht. Auch, wenn er nicht alle Texte verstehen konnte, fühlte er etwas. Insbesondere, da die Menschen sehr hilfsbereit waren. Zudem hat er an den gemeinsamen Tagen entdeckt, dass die griechische Kultur einige Gemeinsamkeiten zur tunesischen aufweist. „Sie sind warm und wir sind warm.“ Er wünsche sich eine solche Familie, wie diese Gruppe von Musiker*innen.

Auch Mariniki berichtet davon, wie an den Tagen gemeinsam Grenzen ausgelotet wurden. Immer, wenn man gesungen hat auch wenn es nicht ganz richtig war und man fast verzweifelt ist, hat man sich gegenseitig ermutigt. Es gab viel Unterstützung und eine familiäre Atmosphäre. Die Heimatgefühle haben sie an diesem Wochenende sehr glücklich gemacht. Die Lieder haben Kindheitserinnerungen in ihr hervorgerufen.

Mariniki reflektiert, dass sie in der Musik eine internationale Sprache sieht. Durch das gemeinsame Musizieren kann man Verbindungen spüren. „Wir sind näher gekommen durch die Musik – auch, wenn dies nicht das primäre Ziel war.“

Zwischenfazit: Musik also zur Ermöglichung eines kulturell- wissenschaftlichen Austausches.

Musik als Vermittler*in, um Brücken der Freundschaft zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft aufzubauen.

Musik als universelle Sprache zur Überwindung von nationalen Grenzen.

Musik um ein gegenseitiges Verständnis zu entwickeln.

Musik als Mittler*in um Kulturen zusammenzubringen und eine gemeinsame Ebene zu finden.

Wenn man gemeinsam musiziert, muss man sich stark in andere einfühlen- gibt es hier eine Verbindung zwischen dem interkulturellen, harmonischen Zusammenleben und dem gemeinsamen Musizieren?

Für Mariniki könnte man die Gesellschaft als ein Orchester betrachten, indem sich manchmal Einzelne zurücknehmen müssen, um andere erklingen zu lassen. Jede*r hat eine spezifische Stimme, einen einzigartigen Charakter. Um ein harmonisches Zusammenspiel zu ermöglichen ist es wichtig sich gegenseitig zu Helfen. Beim gemeinsamen Musizieren wie aber auch in einer interkulturellen Gesellschaft sei es sehr wichtig, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Das Ziel sollte es sein, Harmonie zu schaffen. Man darf nicht zu egoistisch sein. Manchmal benötigt man jedoch auch so etwas wie eine*n Wegweiser*in. So erzählen Mariniki und Amine, dass der Dirigent Theodoros Kotepanos das gemeinsame Zusammenspiel wesentlich erleichtert hat.

Amine meinte, der Dirigent hätte ihnen geholfen, trotz fehlender gemeinsamer Musikerfahrung das interkulturelle Zusammenspiel zur ermöglichen und ihr Ziel zu erreichen. Theodoros Kotepanos hätte sie durch die Tage geleitet und ihnen den Weg gezeigt.

Zum Abschlusskonzert schließlich standen viele strahlenden Musiker*innen auf der Bühne. Die Klänge, die sich aus einer Mischung aus Akkordeon, Gitarre, Bass, Klavier, Saxophon, Gesang, Violine und der typischen griechischen Bouzouki zusammensetzten waren für mich sehr außergewöhnlich. Auch, wenn man die Texte während des Konzertes nicht verstehen konnte, gelang es den Musiker*innen gemeinsam einen spezifischen Klang, eine Harmonie und Rhythmik zu übermitteln. Ein Klang, den ich noch lange mit Griechenland und diesem Wochenende verbinden werde.

We were bound by music and we will be separated by music“. (Amine)