Gauss-Telegraph: Mond-Neujahr in Ostasien

Gauss-Telegraph: Mond-Neujahr in Ostasien

von Lena Heinecke

春节 (chūnjié in China), 正月 (shōgatsu) in Japan, 설날(seollal) in Korea, Цагаан сар (Tsagaan Sar) in der Mongolei, ལོ་གསར (Losar) in Bhutan & Tết Nguyên Đán in Vietnam

Asien ist der bevölkerungsreichste Kontinent der Erde: Mehr als die Hälfte aller Menschen lebt dort. Die verschiedenen asiatischen Länder haben alle ihre eigenen Traditionen und Feste, von denen einige aber Ähnlichkeiten aufweisen. Ein Beispiel dafür ist das Neujahr. In diesem Artikel geht es um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Mond-Neujahrsfeierlichkeiten in China, Japan, Vietnam, Korea, der Mongolei sowie Bhutan.

Wann wird gefeiert?

Das neue Jahr beginnt anders als in der westlichen Welt nicht am 1. Januar des gregorianischen Kalenders, sondern hängt vom Mondkalender ab und findet daher jedes Jahr an einem anderen Tag zwischen 21. Januar und 20. Februar statt. Einzig in Japan wird das Fest seit ca. 150 Jahren am 01. Januar gefeiert. Das Mond-Neujahr ist der wichtigste Feiertag in Asien und die Feierlichkeiten selbst dauern offiziell meist drei Tage, wobei bereits einige Tage und Wochen zuvor mit den Vorbereitungen begonnen wird und oft auch an den nachfolgenden Tagen weiter gefeiert wird.

Was/Wieso wird gefeiert (Legenden zum Mond-Neujahr)?

In China erzählt eine alte Geschichte von einem Monster, dass einmal pro Jahr aus den Bergen kam, um Menschen zu fressen. Die Menschen machten viel Lärm und Feuer und nutzten die Farben gold und rot, um so das Monster zu vertreiben.

Das Tsagaan Sar Fest in der Mongolei basiert hingegen auf einer Legende, der zufolge eine buddhistischen Gottheit jedes Jahr gegen Dämonen sowie den Herrn der Hölle kämpft, welcher die Sonne verschluckt hatte. Die Gottheit rettet die Sonne, kommt auf die Erde und wärmt diese, sodass der Frühling beginnt. Das Neujahrsfest symbolisiert daher die Erneuerung der Natur und der Menschen sowie die Hoffnung. Diese Symbolik lässt sich in allen asiatischen Kulturen wiederfinden. Das Mond-Neujahr läutet den Frühling ein und symbolisiert einen Neuanfang. Tibeter sehen das Neujahr sogar als Beginn eines neuen Lebens an. In Vietnam, Bhutan sowie der Mongolei ist es daher auch üblich, vor dem Fest alle Schulden zurückzuzahlen und die Streitigkeiten des alten Jahres beizulegen.

Wie laufen die Vorbereitungen ab und wie wird das Haus dekoriert?

Die Vorbereitungen bestehen u.a. aus dem Kauf neuer Kleider (Vietnam, China, Bhutan) und dem Aufräumen, Putzen und Dekorieren des Hauses bzw. der Wohnung (überall). Eine tibetische Tradition ist eine spirituelle Reinigung, bei der ein Teig aus Mehl und Wasser über den Körper gerollt wird, um alles Negative herauszuziehen. Dieser Teig wird anschließend im Tempel verbrannt. Ein sauberes Haus und ein sauberer Körper stehen für den frischen Start in das neue Jahr. Aus diesem Grund baden Koreaner auch, bevor das neue Jahr beginnt. Zudem werden dort Räucher- und Bambusstäbchen angezündet, um Dämonen aus dem Haus zu vertreiben. Auch der Verzehr von süßem rotem Bohnenbrei mit Reiskuchen einige Zeit vor dem Jahreswechsel soll böse Geister vertreiben. Außerdem werden natürlich Lebensmittel für das Zubereiten der jeweiligen Gerichte sowie dekorative Artikel gekauft. Viele Asiaten besorgen auch Gastgeschenke für ihre Verwandten, denn der Beginn des neuen Jahres ist das wichtigste Fest und folglich ein Anlass, die Zeit mit der ganzen Familie in der Heimat zu verbringen. Meist wird bei den älteren Familienmitgliedern gefeiert. Einige Tage vor Neujahr wird das Haus geschmückt: In China werden Chūnlián, das sind rote Bänder mit Sprüchen, an den Türrahmen geklebt sowie das umgekehrte Zeichen für „Glück“ in die Mitte der Tür. Dort und auch in Vietnam werden Zwergorangenbäume ins Zimmer gestellt, die ein fruchtbares neues Jahr symbolisieren. Der Neujahrsbaum (ein Bambusrohr mit Schmuck an dessen Spitze) ist eine weitere vietnamesische Dekoration.

In Japan werden anlässlich des neuen Jahres Postkarten an Verwandte und Freund*innen geschickt. Diese sollten mindestens teilweise handgeschrieben sein, weswegen auch das Schreiben dieser Karten einen Großteil der Vorbereitungen ausmacht. In Bhutan hingegen finden vor den Feiertagen in den Tempeln Gebete statt, um den Segen der Götter für das nächste Jahr zu erhalten. Zu Tsagaan Sar werden am Tag vor dem Neujahr Kerzen angezündet, welche die buddhistische Erleuchtung darstellen. Da laut mongolischem Glauben eine Gottheit die Menschen besucht, werden drei Stücke Eis vor die Haustür gelegt, damit das Pferd der Gottheit etwas trinken kann.

Welche Traditionen und Bräuche gibt es?

Am letzten Tag des alten Mondjahres wird in China zusammen mit der Familie die staatliche Fernsehgala angesehen, wohingegen in der Mongolei ein mongolischer Ringkampf im Fernsehen läuft. In den meisten Ländern werden um Mitternacht dann Feuerwerkskörper und Böller angezündet. Japaner gehen um Mitternacht zu einem Tempel, wo die Tempelglocke für die 108 Sünden der Menschheit 108 Mal geschlagen wird. Außerdem kaufen sie sich dort Glücksbringer und Orakel auf Papier, die die Zukunft für das neue Jahr hervorsagen. So ist es auch in Vietnam buddhistische Tradition, sich die Zukunft im Tempel voraussagen zu lassen und dort Geld zu spenden.
Beim tibetische Neujahrsfest zieht es um Mitternacht ebenfalls alle nach draußen. Künstler mit weißen Masken ziehen singend durch die Straßen. Die erste Aufgabe für die Familien im neuen Jahr ist es dort, Tee mit frisch aus dem Fluss geholten Wasser zuzubereiten. Mongolen bereiten am frühen Morgen einen Milchtee zu, wovon ein Teil in alle Himmelsrichtungen geschüttet wird, was den Göttern gewidmet wird.

Im neuen Jahr ist die wohl wichtigste Tradition in ganz Asien das Besuchen anderer Familienmitglieder (in der Mongolei sogar bis zu zehn andere Haushalte am Tag) und das Verspeisen von wahren Festmählern. Viele Vietnamesen glauben, dass der erste Besucher im neuen Jahr über das zukünftige Glück entscheidet und laden daher Menschen ein, die in der Vergangenheit viel Glück hatten. In vielen Regionen zum Beispiel in Vietnam oder China darf man am Neujahrstag das Haus nicht fegen, da man sonst das Glück aus dem Haus kehrt. Aus demselben Grund soll man sich in China an diesem Tag auch nicht duschen oder die Wäsche waschen. Chinesen glauben, dass das Verhalten am ersten Tag im neuen Jahr sich im gesamten Jahr wiederholt, daher soll man reichhaltig essen, keinen Mittagsschlaf machen (=Faulheit) und als Schutz vor Krankheit auch keine Medizin nehmen. Diese Symbolik findet sich ebenso in der mongolischen Tradition, weswegen es dort Rituale gibt, um der Natur und den Göttern zu danken und Glück für das Jahr herbeizurufen.

Der Neujahrsmorgen beginnt in Korea mit einer Zeremonie für die Ahnen. Dabei trägt die ganze Familie ihre traditionelle Tracht (Hanbok) und legt Speisen sowie Getränke auf einen speziell vorbereiteten Tisch. Im Süden Vietnams werden Früchte wie Mango, Papaya und Kokosnuss auf den Familienaltar gelegt, weil diese Worte auf südvietnamesisch ähnlich klingen wie der Wunsch „genug [Geld] zum Ausgeben“.

In Bhutan, China und Vietnam gehören Tanzaufführungen ebenfalls zum neuen Jahr. In China gibt es beispielsweise den Drachentanz. Da alle Familienmitglieder zusammen feiern, sind auch Spiele ein beliebter Zeitvertreib in Korea, China, Japan und der Mongolei. Allgemein ist die Stimmung oft fröhlich und ausgelassen.

Gibt es Geschenke?

In allen asiatischen Kulturen werden Ältere stark respektiert. Am Neujahrsfest zeigt sich das auch daran, dass jüngere Personen zu ihren älteren Familienmitgliedern sowie Nachbar*innen gehen und ihnen gute Wünsche überbringen. Im Gegenzug gibt es Geldgeschenke, besonders für Kinder. Diese sind in China, Japan und Vietnam in dekorierten roten Umschlägen verpackt. In der Mongolei verteilen die älteren Familienmitglieder neben Geld (wichtig: frisch gedruckte Geldscheine, die für „das Neue“ stehen) auch Wodka.

Was sind traditionelle Neujahrsgerichte?

Wie bereits zuvor erwähnt, ist das Essen einer der wichtigsten Bestandteile der Neujahrsfeierlichkeiten. Das Motto hierbei ist „möglichst viele möglichst aufwendige Gerichte“. Dennoch haben viele Länder und Regionen eigene Spezialitäten, die fest zum Neujahr dazugehören.

Mit Fleisch gefüllte Teigtaschen sind sowohl in China (Jiaozi) als auch in der Mongolei (Buuzs) das traditionelle Neujahrsessen. Diese werden oft am Silvesterabend oder mehrere Tage im Voraus zubereitet. Japaner essen am letzten Abend des alten Jahres lange Soba-Buchweizennudeln, die nicht abgebissen werden dürfen, weil sie ein langes Leben darstellen. Die Neujahrsgerichte heißen in Japan osechi ryōri und werden in quadratischen, stapelbaren Holz- oder Lederboxen angerichtet. Dazu gehören z.B. Zoni-Suppe, schwarze Sojabohnen, Misosuppe, Reiskuchen, gelierte Fischpaste und vieles mehr. Damit sich der Magen erholen kann, gibt es zum Ende der Neujahrsfeierlichkeiten am 7. Januar Sieben-Kräuter-Reisbrei.

Mongolische Familien essen außer Teigtaschen auch Schafsfleisch, Reis mit Rosinen oder Quark, Rinder- oder Lammhack ummantelt von Teig und viel traditionelles Gebäck, welches häufig als Pyramide angerichtet wird.

In Vietnam sind mit Fleisch oder Bohnen gefüllte und mit Bananenblättern umwickelte Klebreiskuchen nicht aus den Tết-Feiern wegzudenken. Auch getrocknete, kandierte Kokosnuss ist dort eine typische Spezialität. Reiskuchen und Reiskuchensuppe gehören übrigens auch in Korea zum neuen Jahr dazu. Diese sollen ein langes Leben versprechen. Der koreanische Gabentisch wird entsprechend einer bestimmten Ordnung gedeckt, und zwar heimische Speisen im Osten und Süßigkeiten sowie importierte Früchte im Westen.

Nach all diesen Köstlichkeiten und Familienbesuchen stellt sich häufig die weltweit „Nach-Feiertagsstimmung“ ein, die einerseits aus Erschöpfung, aber auch aus Lust auf mehr gemeinsame Zeit besteht.

Kommst du aus Asien oder hast dort schon einmal das Frühjahrsfest verbracht? Schreib uns gerne, wie deine Familie dieses Fest feiert und wie du dieses Jahr in Deutschland feiern wirst!